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Lage
Das Felsbild befindet sich in einer ‘Höhle‘ am Nordhang des romantischen, tief eingeschnittenen Karadere (schwarzes Tal) auf ca. 430 m Höhe (1). Der Hang fällt an dieser Stelle zu einem Geländeabsatz ab, der bis auf eine Lücke an der Ostseite allseitig von Felsen eingeschlossen ist. Dadurch entsteht ein kleiner Hofbezirk, der ähnlich wie das Umfeld des Göktepe-Bildes mit dem Frühlingsfest (?) den Eindruck eines Naturheiligtums macht (2.3).
Die ‘Höhle‘ mit dem Bild liegt an der Nordwestecke dieses Hofes (3). Sie besteht aus dem senkrecht abfallenden Felshang des Geländeabsatzes und einer verschobenen, schräg darauf aufliegenden Felsplatte, die an ihrer Innenseite unterschiedlich stark ausgewittert ist. Am Fuß des Felshangs zieht sich ähnlich wie bei der Felskammer von Balıktaş eine niedrige Felsbank hin. Der Eingang in die ‘Höhle‘ befindet sich an der Ostseite (4.5).
 
Beschreibung und Deutung
Unter den latmischen Felsmalereien nimmt das Bild der Karadere-’Höhle’ eine Sonderstellung ein. In seiner Thematik, Strenge und magischen Ausstrahlung unterscheidet es sich grundsätzlich von den sonst üblichen ’Familienszenen’.
Das Bild, das an der inneren Ostseite der ‘Höhle‘ angebracht ist, zeigt eine Versammlung von mehreren Gestalten unterschiedlicher Größe (6-8), denen sich in der nächsten Verwitterungsnische rechts eine weitere Gestalt anschließt. Bis auf die achte Figur von links, die vielleicht ein Tier in Draufsicht zeigt, und die weibliche Figur am rechten Bildrand handelt es sich dabei um Männer, fünf davon ‘Strichmännchen‘ mit teilweise überlangem Hals. Nur die vierte, siebte und zehnte Figur unterscheiden sich durch ihre Größe, ihre Handhaltung und ihr Körpervolumen deutlich von den anderen. Vermutlich sind sie lang gewandet. Letzteres trifft auch für die zweite Figur von links zu, die wie eine Verkleinerung der großen vierten Figur wirkt.
Hauptperson ist ohne Zweifel die vierte Gestalt von links. Sie ist durch ihre zu Fäusten geballten, erhobenen Hände und ihre erhöhte Stellung unterhalb einer bogenförmigen Verwitterungskante der Felswand unter allen hervorgehoben.
Eigenartig ist der T-förmige oder antennenartige Kopfputz mehrerer Figuren, besonders auffällig bei der Hauptfigur. Damit sind wahrscheinlich Hörner gemeint. Menschliche Figuren mit Hörnern oder Hörnermasken auf den Köpfen sind in der Felsmalerei nichts Ungewöhnliches. Sie sind seit dem Paläolithikum bezeugt und werden als ’Hörnergötter’, Dämonen oder Schamanen gedeutet.
Die Darstellung des Karadere-Bildes hat vermutlich mit dem Kult des Wettergottes auf der Bergspitze zu tun. Dafür spricht folgende Beobachtung: Seitlich des Eingangs befindet sich im Felsboden eine flache runde Vertiefung (9-10). Blickt man von dieser Stelle in Richtung der Hauptgebirgskette, ist nur die höchste Spitze zu sehen, die als heilig galt (11). Die übrigen Zacken sind von der gegenüberliegenden Felswand verdeckt. Ersteigt man diese Felswand, bietet sich eine unverstellte Sicht auf die gesamte Bergkette (12), und man fragt sich, ob die Gestalten auf der Höhlenwand nicht die Personifikationen der verschiedenen Bergspitzen darstellen, denen vor der ’Höhle’ geopfert wurde. Vielleicht ist die dominierende vierte Gestalt die Personifikation des Gipfels, der Wettergott (13). Sollte diese Deutung zutreffen, wäre dies die früheste Darstellung des Wettergottes in Anatolien.
Möglich wäre jedoch auch eine Deutung dieser Figur als Schamane, vorausgesetzt, dass derartige Vorstellungen im ostägäischen Raum im Chalkolithikum überhaupt existierten. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die gesamte Szene als Regenzauber interpretiert werden, wobei der Schamane mit den geballten Fäusten vor der Bergspitze als Regenbeschwörer auftritt.
Fundort: Karadere
1) Blick von Osten in das Karadere (schwarzes Tal).
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