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Die seit 1994 im Latmos-Gebirge, dem heute Beşparmak genannten Bergzug in der Westtürkei, von Anneliese Peschlow-Bindokat gefundenen Felsbilder zählen zu den großen Neuentdeckungen der prähistorischen Archäologie Anatoliens der letzten Jahrzehnte. Die Dokumentierung und systematische Untersuchung dieser Malereien bildet ein Teilprojekt der im Namen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) durchgeführten langjährigen Feldforschungen in diesem Gebiet. Ziel dieser Arbeiten ist es, die Spuren menschlichen Lebens dieser ehemals unmittelbar an der ägäischen Küste gelegenen Gebirgsregion von den Anfängen bis in osmanische Zeit zu erfassen und historisch auszuwerten. Ausgangspunkt dabei war die hellenistische Stadt Herakleia am Latmos am Fuß des Gebirges.
 
Diese Arbeiten erfolgten mit der alljährlich großzügig erteilten Genehmigung des Türkischen Kultusministeriums (T.C. Kültür ve Turizm Bakanlığı), gefördert wurden sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) und der Gerda Henkel Stiftung. Diesen Institutionen sei dafür auch an dieser Stelle gedankt. Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus Prof. Dr. Harald Hauptmann, der das Felsbildprojekt von Anfang an mit großem Interesse verfolgte und stets mit seinem fachlichen Rat begleitete. Die Arbeiten im Gelände wären ohne die tatkräftige Mithilfe des Diplomarchäologen Murat Gülyaz, der die Kopien der zahlreichen Felsbilder anfertigte, nicht durchführbar gewesen. Dr. Volker Höhfeld war für die Unternehmung über lange Jahre als Kartograph und Geograph ein unentbehrlicher Mitarbeiter. Nicht zu vergessen sind die vielen türkischen Freunde in den Bergdörfern, die uns immer wieder bereitwillig zu neuen Fundstellen führten; namentlich erwähnt seien hier Erdinç Yıldırım und İbrahim Kamacı. Sie alle sind in meinen Dank eingeschlossen.
 
Die Felsmalereien des Latmos, deren Datierung in einen Zeitraum vom späten Neolithikum bis ins Chalkolithikum (6. - 5. Jahrtausend v. Chr.) weitgehend als gesichert gelten kann, stellen eine neue Felsbildprovinz in Vorderasien dar. Diese an die Felslandschaft des Latmos gebundene, stilistisch wie thematisch geschlossene Bilderwelt ist innerhalb der Felsbildkunst nicht nur Anatoliens einzigartig und kann daher als eine neue Kultur, als Latmos-Kultur bezeichnet werden. Im Unterschied zu den eiszeitlichen franko-kantabrischen Höhlenmalereien in Westeuropa, die bekanntlich von Tierdarstellungen beherrscht werden, ist das Hauptthema der latmischen Bilder der Mensch, jedoch nicht als Individuum, sondern als Mitglied der menschlichen Gesellschaft. Dabei steht die Beziehung zwischen den Geschlechtern im Vordergrund, wie an den zahlreichen Paardarstellungen von Mann und Frau zu erkennen ist. Es geht um die Familie und ihren Fortbestand oder im übertragenden Sinn um die Fruchtbarkeit. Für eine solche Deutung spricht auch die Lage der Felsbilder rund um die Bergspitze des Latmos, dem Zentrum eines altanatolischen Regen- und damit Fruchtbarkeitskultes.
 
Die Bedeutung der latmischen Felsbilder für die prähistorische Archäologie Anatoliens und die ägäische Frühzeit lässt sich am besten mit den Worten von Harald Hauptmann wiedergeben. ‘Die singuläre Bildersprache der latmischen Felskunst repräsentiert eine neue religiöse Symbolwelt einer sesshaft gewordenen Gesellschaft, die zunehmend von Ackerbau und Viehzucht lebte. Diese neue Lebensform, die sich von der bergigen Randzone des Fruchtbaren Halbmondes, der südlichen Levante und Obermesopotamien über Zentralanatolien nach Westen in die Ägäis bis nach Europa ausbreitete, hat, wie nirgends sonst in Anatolien, in den latmischen Felsbildern ihren besonderen Ausdruck gefunden. Die anatolische Westküste bildet damit nicht nur eine Übergangszone zwischen dem levantinisch-obermesopotamischen und zentralanatolischen Raum im Osten und den neolithisch-chalkolithischen Zentren der Ägäis im Westen, sondern erhält durch diese Bilder nun ein eigenes Gepräge’.
Um die Felsbilder des Latmos einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurde im Namen des Deutschen Archäologischen Instituts eine Wanderausstellung konzipiert. Diese Ausstellung wurde im Januar 2003 in Berlin eröffnet und durchlief danach verschiedene Stationen in Deutschland (Bonn, Freiburg, Oldenburg) und Italien (Rom, Lecce, Neapel, Ferrara, Erto, Bozen). Durch die Vermittlung der ehemaligen Gouverneurin der Provinz Muğla, Frau Dr. Lale Aytaman, und mit Unterstützung des damaligen Botschafters der Türkischen Republik in Deutschland, Mehmet Ali İrtemçelik, sowie vor allem der Vehbi Koç Stiftung unter ihrem Vorsitzenden Ömer Koç, war es möglich, die Ausstellung in die Türkei zu bringen, wo sie in Istanbul, Ankara und zuletzt in Muğla zu sehen war. Anschließend wurde sie als Geschenk des Deutschen Archäologischen Instituts an die Türkische Republik übergeben. Seit Anfang des Jahres 2010 hat die Ausstellung in dem neu eröffneten Museum der Universität Muğla ihren endgültigen Platz gefunden.
Ursprünglich war vorgesehen, die Ausstellung in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern zu zeigen; aus Kostengründen musste jedoch darauf verzichtet werden. Stattdessen wurde entschieden, die zugehörigen Bild- und Textvorlagen zu überarbeiten und ins Internet zu stellen. Damit soll die Spezialisten wie Laien gleichermaßen faszinierende Bilderwelt des Latmos einem größeren Publikum als bisher zugänglich gemacht und die Diskussion darüber neu belebt werden.

Publikationen zu den Felsbildern:

Anneliese Peschlow-Bindokat, Frühe Menschenbilder. Die prähistorischen Felsmalereien des Latmos-Gebirges (Mainz, Ph. v. Zabern 2003) ISBN 3-8053-3001-4.
-, Antiche immagini dell’uomo. Le pitture preistoriche del Latmo (Mainz, Ph. v. Zabern 2003) ISBN 3-8053-3277-7.
-, Tarihöncesi İnsan Resimleri. Latmos Dağları’ndaki Prehistorik Kaya Resimleri (2. erw. Aufl., İstanbul Zero Prod. Ltd. 2006) ISBN 975-6959-16-9.
-, The Gods of the Latmos: Cult and Rituals at the Holy Mountain from Prehistoric to Byzantine Times, in: Sacred Landscapes in Anatolia and Neighboring Regions. Ed. by Ch. Gates, Jacques Morin, Thomas Zimmermann. BAR Int. Ser. 2034 (Oxford 2009) 55 - 62.
-, Das Gebirge als Lebensraum. Zur kultischen Bedeutung und profanen Nutzung der Höhlen und Überhänge des Latmos im 6. und 5. Jahrtausend v. Chr., in: Stable Places and Changing Perceptions: Cave Archaeology in Greece. Ed. by F. Mavridis, J.T. Jensen. BAR Int. Ser. 2558 (Oxford 2013) 285 - 305.
Anneliese Peschlow-Bindokat - Christoph Gerber, The Latmos-Beşparmak Mountains. Sites with Early Rock Paintings in Western Anatolia, in: The Neolithic in Turkey. New Excavations & New Research 4. Western Turkey. Ed. by M. Özdoğan, Nezih Başgelen, Peter Kuniholm (İstanbul 2012) 68 - 131.
Publikationen zum Gesamtprojekt:
Anneliese Peschlow-Bindokat, Der Latmos, eine unbekannte Gebirgslandschaft an der türkischen Westküste (Mainz, Ph. v. Zabern 1996) ISBN 3-8053-1994-0, ISBN 3-8053-2006-X (Sonderhefte der Antiken Welt).
-, Herakleia am Latmos. Stadt und Umgebung (İstanbul, Homer Kitabevi 2005) ISBN 975-8293-72-9.
-, Herakleia. Şehir ve Çevresi (İstanbul, Homer Kitabevi 2005) ISBN 975-8293-73-7.
-, Herakleia On The Latmos (İstanbul, Homer Kitabevi 2014) ISBN 978-9944-483-63-6.
-, Feldforschungen im Latmos. Die karische Stadt Latmos. Milet Bd. III, 6 (Berlin / New York, de Gruyter 2005) ISBN 978-3-11-018238-5.